KÖNIGSWEG | Archetypische Gestaltung

Was ist Archetypische Gestaltung? (2/7)

Was ist Archetypische Gestaltung? (2/7)

Realität & Wirklichkeit:

Das Verhältnis dieser beiden Reiche bestimmte die Geschichte mehr, als einer ahnt, immer mit der bangen Frage: Was ist es, was die Welt zusammenhält? - Erst die Neuzeit schien die Frage zu entscheiden, indem sie sich darüber aufgeklärt; die Art und Weise, wie man seither auf Geschichte blickt, spricht daher Bände. -

Als im Anhub der Antike im Vorderland Kleinasiens die sogenannten Naturphilosophen Fragen über den Beginn und Ursprung der Natur anstellten, verließen sie die Welt von Mythen, Göttern und Legenden und stellten erstmals rationale, ja, wissenschaftliche Erklärungen daneben. - Zumindest möchte man das heut so denken. - Es stimmt zwar, für Thales war „das Wasser“ der Urstoff, daraus alles begann, für Anaximenes „die Luft“ und selbst Heraklit, indem man ihn so passend in den hübschen Reigen stellte, fand unter Garantie „das Feuer“ als dasselbe vor. Aber wie so oft liegt alles im Betrachter - honi soit qui mal y pense.

Keiner wäre nämlich je „hinausgefallen“ aus der mythischen Ordnung alter Zeit, indem er sich Gedanken machte über die Natur, wenn nicht der Griffel des Historikers den Bruch herbeigeführt.

Die archē der Vorsokratiker meinte nicht etwa ein Element des Periodensystems, sondern - wen wundert´s - ein Prinzip.

Eins, das man hier „das Wasser“ hieß, weil konkretes Wasser es so gut verdeutlichte. Dass man dieses Prinzip genauso gut im Schoß der Mutter, wie in der gebärenden Natur (lat. natura, die Geburt) würde wiederfinden können, keiner hätte das bezweifelt.
Natürlich, verschiedene Ebenen, darin man ein und dasselbe Prinzip wiederfindet! - hätten die Milesier vielleicht getönt.

Überhaupt, wenn auch die Zeit der Aufklärung des Menschen Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit gewesen sein mag, so folgt dem aufgeklärten Blick in die Antike nicht sogleich, dass deren logische Naturbetrachtung Ausgang aus naiver Wissenschaft oder, "schlimmer" noch, aus "dunklem Mythos" war. - Wem sich etwas nicht erhellt, ist womöglich nur nicht hell genug, statt dass es einfach dunkel sei. -

Die beispielhafte Vierheit von Prinzipien, die auch Empedokles so formuliert, das Erdige, das Wässrige, das Feurige und das Luftige, sind Ziffern dieser Wirklichkeit, als wie die Zahlen es für Äpfel oder Birnen sind, für all die Dinge realer Welt.

Später finden diese vier sich zur Erzählung des Temperaments: das Phlegmatische, das Melancholische, das Cholerische und das Sanguinische. Dann, im Laufe der Moderne, wollte man es aber endlich besser wissen und begann der Zweig der Differentiellen Psychologie behelfs statistischer Methoden alle Vielfalt menschlicher Eigenarten neu zu ordnen. Hilfe bot das modernste der statistischen Verfahren, das Rotationsverfahren zur Faktorenanalyse, das unzählige Befunde zu den allergrundlegendsten Typen zu verdichten wusste. Meist waren es dann derer vier und ... der Rest ist Schmunzeln.

Unübersehbar viele solcher Beispiele legen es uns nah: Warum nur ist das Buch der Wirklichkeit mit archetypischen Symbolen geschrieben? Und wie kommt es, dass die Ordnung dieser Urtypen auf die Gegenstände der Wirklichkeit so vortrefflich passt? - Haben wir mit der Mathematik etwa einen Weg gefunden, den Bau der Natur, unserer Realität, abzubilden und vorherzusagen, aber gleichzeitig einen Weg verkannt, der dasselbe für die Wirklichkeit vermöchte? -

Gibt es eine "inhaltliche Mathematik", die uns Bedeutsames lehrt?

Fortsetzung: Teil 3/7

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